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Norbert Wollschläger: Mit dem Rücken zum Backstein

11.12.2007

Der Andrang letzten Donnerstag war enorm. Im Kaisersaal herrschte Platzmangel. Die übliche Bankettbestuhlung musste abgeändert, Tische und Stühle hinzugestellt werden. Natürlich wollte man beim letzten “Gabeln“ im Jahr dabei sein. Zumal wegen des prominenten Referenten. Hans Kollhoff. Stararchitekt und Wertkonservativer. Ebenso gefeierter wie heftig kritisierter Architekt, der seine Aufmerksamkeit gerade dadurch bezieht, dass er sein Werk dem „Wettlauf der Aufmerksamkeit“, scheinbar entzieht.

Kollhoff baut klassisch (Naturstein und Ziegel). Seine Bauten verweigern sich dem Spektakulären, und zwar so, dass sie schon wieder Aufsehen erregen. Kollhoff denkt klassisch (Schinkels Bauakademie ist für ihn das innovativste Gebäude Berlins). Kollhoff provoziert. Alles Zeitgeistige ist ihm fremd. Daraus könne man Freizeitmode machen, aber keine ernsthafte Architektur. Und ohnehin sei der Kunst die Schönheit längst abhanden gekommen. Man konnte also gespannt sein auf einen intellektuellen Schlagabtausch, zumal die Zunft der Architekten bei diesem Gabeln gut vertreten war. Die der Schlossgegner auch.

Nach dem Hauptgang (Lachsschnitte im Kartoffel-Meerrettich- Mantel) griff Kollhoff zum Manuskript, hob zum Diskurs an und verlas die Botschaft. Wer aber Polemik, Streit oder intellektuelles Piesacken erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Kollhoff nörgelte auf feine Art. Geradezu behutsam monierte er die „belanglosen Einfällen“ vieler Architekten, „die einer medialen Verwertungslogik entspringen, für einen Moment auch lustig, witzig, amüsant sein mögen, sich aber nie bündeln lassen oder verdichten auf etwas Dauerhaftes hin“. Da kritisierte einer im Stile des Anglikanischen Bischofs. Hart in der Sache, freundlich im Ton. Schwer, dagegen anzukommen. Trotz manchem Kopfschütteln und kritischer Gesichter an den Tischen drum herum nur wenig Widerspruch während der anschließenden Diskussion.

Soviel Harmonie im Kaisersaal war nie. Lag es an Kollhoffs Text (den man nachträglich gerne bekäme)? An der vorweihnachtlichen Stimmung? Etwas mehr Schärfe hätte ich mir schon gewünscht. (Übrigens bei der Lachskruste auch; ihr mangelte es an Meerrettich.)
Conclusio: Ein durchaus passender Abschluss eines guten Jahrganges interessanter, anregender und gut schmeckender Gabeleien.