Vernissage "Art Forum" Berlin
(6. Oktober 2010)
Berlin ist gut aufgestellt, man fährt nicht mehr zum Kölner Kunstmarkt, besucht vor Ort diese Messe für aktuelle, für zeitgenössiche Kunst. Beim ersten Durchgang ist man voller Erstaunen über Fülle und Vielfalt, das zweite Ansehen stimmt skeptisch, aber auch milde.
Guter Gesamt-Eindruck in den Messehallen am Funkturm, weniger Galerien, alles konzentrierter. Sogar ein Hauch an Eleganz bei der Eröffnung sichtbar, ein kleiner Hang zum Mondänen, a bisserl gesellschaftliches Highlight.
Der Siegeszug des Marktes ist beeindruckend und auch angsterregend. Der Künstler ist nichts, wenn er keinen international agierenden Kunsthändler, wenn er nicht einen Marktpreis hat.
Hier vor Ort profitieren alle, als Käufer, als Verkäufer, als Zuschauer. CBE-Mitglieder sind viele vor Ort, nächstes Jahr wagen wir mal eine Führung durch den Dschungel und das Gemenge dieses Kunstmarktes.
Jeannot Simmen

Richard Wagner / Pierre Boulez, Konzert Philharmonie, Bamberger Symphoniker und Bayerische Staatsphilharmonie
(19. Sept. 2010)
Das “10. musik fest berlin” arrangiert Musik des 19. Jahrhundert mit Avantgarde-Kompositionen des Zwanzigsten. Wagner / Boulez an diesem Abend, unter der Leitung des genial-jungen Dirigenten Jonathan Nott. Richard Wagners “Siegfried-Idyll” (1870) klang wunderbar, ein Klangstrauss von etwas verwelktem Charme.
Danach 70 Minuten Pierre Boulez vom Feinsten: “Pli selon pli” (1957/89), ein Porträt auf den grossen Dichters Malarmé in fünf Teilen. Es begann mit einem musikalischen Donner und endete damit: Dazwischen musikalisch ein Leben von der Geburt bis zum Grab. Mallarmés dunkel-ästhetische Sonette wurden zu Musik, jede Silbe zum Klang, jedes Wort zur Tonfolge – das Gedicht von Boulez harmonisch aufgehoben, kongenial musikalisch sublimiert.
Habakuk Traber, der wunderbare Interpret sprach in der Einführung davon, dass jeder Zuhörer verändert nach diesen siebzig Minuten Musik sei, ein Anderer danach. Man war skeptisch – danach betroffen. Alles durch Klänge, die fern von einem aufwühlenden Appell, ohne Pathos, nüchtern, beinah analytisch den Zuschauer mit aller Musikalisch möglichen Wucht treffen. Vor allem das letzte Stück “Tombeau” irritiert den Zuhörer, dass er widersprüchlich “Amen” und “Halleluja” empfindet, Golgatha und lema sabachtani.
Yeree Suh war die grossartige, zarte Sängerin, die die schwierigen Partien mit einem wunderbaren Timbre erklingen liess. Der stürmische Applaus mit vielen “Bravo” war angemessen … schade allein, dass die grosse Philharmonie an diesem Abend ganz ganz schlecht besucht war. Was für ein Verlust für all jene, die nicht diesen Parnass erleben durften.
Jeannot Simmen
P.S. Interessant. die Kritik vom geschätzten Clemens Goldberg im rbb-kultur:
http://www.daskulturradio.de/rezensionen/buehne/2010/musikfest_fazit.html.

Eröffnungskonzert Philharmonie mit den London Symphony Orchestra
(3. Sept. 2010)
Der dritte Kulturtermin innerhalb einer Woche läßt uns zur Eröffnung des “musik fest berlin” zusammenkommen. Das Programm der Berliner Festspiele ist einmal mehr ambitioniert und “kulinarisch” mit seinen Schwerpunkten Boulez und Berio. Am Eröffnungsabend werden wir Zeugen einer ortstypischen Berliner Skurilität: Gleichzeitig mit dem ersten Konzert haben die Ordnungsbehörden einen Firmenlauf/Skaterrennen um die Philharmonie genehmigt. Das Konzert beginnt mit Verwunderung, Ärger, Stau und Verspätungen.
Kelley O’Conners gerade in ihren Tiefen berauschend sonore Stimme entreißt uns der Hektik. Berios Volksliedbearbeitungen auf englische, armenische und sizilianische Texte zieht uns in den Bann. Und Fluch der Verwöhnung: gegen Ende der Lieder, erscheint uns das schon wieder ein wenig “zu glatt”, fast zu schön. Die Sinfonia (1968) von Luciano Berio läßt sich dagegen heute schon als klassisches Dokument der 68iger hören: ein filigranes Patchwork der theoretischen Intelligenz. Das London Symphony Orchestra, vor allem aber die Synergy Vocals, die eine Collage von Texten von Beckett, Joyce und Levi-Strauss erklingen und elektronisch verfremden lassen, finden zu einer mustergültigen Aufführung. Zum Abschluss klingt Berlioz “Harold in Italie” wie ein Märchen aus alter Zeit, fast ein wenig démodé, wäre da nicht die wunderbare Tabea Zimmermann, die mit tiefen, virtuosen Tönen der Bratsche an den Beginn des Konzertes anknüpft.
Gut fünfzig Mitglieder des Club Bel Etage sind beim anschließenden Empfang des Musikfestes Berlin willkommen: Joachim Sartorius und Daniel Harding (in perfektem Deutsch) geben einen hungrig machenden Ausblick auf die weiteren Konzerte. Bei Wein und Brezeln führen wir Gespräche. Es ist spät geworden als wir die Philharmonie verlassen, Läufer und Skater sind schon zu Bett!
Stefan Hain
Photos: Berliner Festspiele

Dr. Niklas Maak, Autor, Leiter Kunstressort FAZ, "Engawa"
(Gabeln 2.9.2010)
Niklas Maak, Architekturkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, verführt uns bei der Gabelei am 2. September zu einer (Foto-)Reise nach Japan. Maak zeigt, wie in Japan – der allgemeinen Raumnot geschuldet – in Architektur- und Automobil-Ästhetik innovative Tendenzen auszumachen sind, die auch die Europäer dazu inspirieren könnten, auf Mangel anders als mit Depressionen zu reagieren.
In Japan ist eine neue Generation von Architekten erwachsen, die alte japanische Traditionen aufnehmend, minimalistisch, doch lustvoll neue Raumkonstruktionen finden: Vertikalisierung und Durchdringung von öffentlichem und privatem Raum, Konstruktion und Porosität kennzeichnen die – oft ökologisch mustergültigen – Lösungen dieser Generation um Sou Foujimoto. Wir bewundern ineinandergesteckte oder aber aus dem öffentlichen Raum isolierte Zimmer, ebenso Kleinwagen von Toyota mit vielsagenden (ausgerechnet dem Deutschen entlehnte) Namen “Platz” oder “Raum”, die im Fahrzeug das Haus nachahmen: kreative Grenzverschiebungen.
So wundert es nicht, dass die Schüler der Altmeister Ito und Ando mit ihren Ideen mittlerweile auch europäische Stadträume erobern: beispielhaft entstanden die Ecole polytechnique in Lausanne, oder die Zweigstelle des Centre George Pompidou in Metz. – Zu Recht meint Niklas Maak am Ende dieser kurzweiligen Reise. Wir danken ihm!
Stefan Hain
Photos: Petra Dahmen

Kunsthalle für Berlin - Arrividerci Temporäre Kunsthalle
(KulturTermin 30.8.2010)
From its very beginning verfolgte der Club Bel Etage die Geschicke der Temporären Kunsthalle, wir standen mit einem Kulturtermin im Hotel de Rome (Nov. 2006) an der Wiege, es war die erste Präsentation der beiden Initiatorinnen Konstanze Kleiner und Coco Kühn bis zu Benjamin Anders, Jänner 2010
http://www.club-bel-etage.de/kategorie/bilder/?pg=3.
Wir feierten 2009 vor Ort „5-Jahre-Club-Bel-Etage:
http://www.club-bel-etage.de/kategorie/bilder/?pg=6.
2008 Besuch der Ausstellung Candide Breitz:
http://www.club-bel-etage.de/kategorie/bilder/?pg=9.
Gabeln mit Konstanze Kleiner 2007:
http://www.club-bel-etage.de/kategorie/bilder/?pg=12.
Jetzt zu ihrem Ende reservierte die Temporäre Kunsthalle 20 Sitzplätze für Club Bel Etage Mitglieder. Bei der allerletzten Veranstaltung führt der Künstler und Kurator John Bock von moderner Videotechnik unterstützt durch die von ihm gestaltete Ausstellung. Und wir staunen: Mag es eine Berliner Gesetzmässigkeit sein oder Zufall: Das Ende ist vielleicht nicht berückend schön, doch eigen und spannend.
Wie schon der Abriss des Palastes der Republik einer ganz aussergewöhnlichen Ausstellung den Rahmen bot, so jetzt die Temporäre Kunsthalle John Bock. Dessen Auswahl von Kunst und Underground, von Trash und Konstruktion ist subjektiv und authentisch. Endlich treffen bekannte Grössen auf Kuriositäten und Newcomer.
Anfang und Ende, wir waren dabei und sind neugierig auf das, was folgt … hoffen auf Realisation einer frechen, intelligent-sinnlichen Kunsthalle für junge Kunst in Berlin.
Stefan Hain
Aufnahmen: Stefan Hain (by iphone G4)