Jeannot Simmen

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Eröffnungskonzert Philharmonie mit den London Symphony Orchestra

(3. Sept. 2010)

Der dritte Kulturtermin innerhalb einer Woche läßt uns zur Eröffnung des “musik fest berlin” zusammenkommen. Das Programm der Berliner Festspiele ist einmal mehr ambitioniert und “kulinarisch” mit seinen Schwerpunkten Boulez und Berio. Am Eröffnungsabend werden wir Zeugen einer ortstypischen Berliner Skurilität: Gleichzeitig mit dem ersten Konzert haben die Ordnungsbehörden einen Firmenlauf/Skaterrennen um die Philharmonie genehmigt. Das Konzert beginnt mit Verwunderung, Ärger, Stau und Verspätungen.

Kelley O’Conners gerade in ihren Tiefen berauschend sonore Stimme entreißt uns der Hektik. Berios Volksliedbearbeitungen auf englische, armenische und sizilianische Texte zieht uns in den Bann. Und Fluch der Verwöhnung: gegen Ende der Lieder, erscheint uns das schon wieder ein wenig “zu glatt”, fast zu schön. Die Sinfonia (1968) von Luciano Berio läßt sich dagegen heute schon als klassisches Dokument der 68iger hören: ein filigranes Patchwork der theoretischen Intelligenz. Das London Symphony Orchestra, vor allem aber die Synergy Vocals, die eine Collage von Texten von Beckett, Joyce und Levi-Strauss erklingen und elektronisch verfremden lassen, finden zu einer mustergültigen Aufführung. Zum Abschluss klingt Berlioz “Harold in Italie” wie ein Märchen aus alter Zeit, fast ein wenig démodé, wäre da nicht die wunderbare Tabea Zimmermann, die mit tiefen, virtuosen Tönen der Bratsche an den Beginn des Konzertes anknüpft.

Gut fünfzig Mitglieder des Club Bel Etage sind beim anschließenden Empfang des Musikfestes Berlin willkommen: Joachim Sartorius und Daniel Harding (in perfektem Deutsch) geben einen hungrig machenden Ausblick auf die weiteren Konzerte. Bei Wein und Brezeln führen wir Gespräche. Es ist spät geworden als wir die Philharmonie verlassen, Läufer und Skater sind schon zu Bett!

Stefan Hain

Photos: Berliner Festspiele