Jeannot Simmen

Bücher und Medien
Projekte Büro Simmen

Club Bel Etage Wolfsburg: Neo Rauch und phaeno

06.03.2007

Der Berliner Vorort WOB wird mit ICE-250-Km/h in einer Stunde angefahren; das Kunstmuseum Wolfsburg bietet Konkurrenz zu den Berlin-Institutionen. Wir fahren dahin. Mit gut 20 Interessierten schauen wir uns zwei Ausstellungen an.

Markus Brüderlin führt kundig und souverän durch die vielen Werke von NEO RAUCH. Erstaunlich: die grossen Formate und das Erzählerische als Traum-Gebrabbel. Der Künstler wurde der DDR-Nachwende-Maler-Star, seine Werke sind wie Sternschweife vergangener Malereien. Die ‘unreine’ Palette voll Leipziger Mischfarben. Er ist der deutscheste aller Jungdeutschen Maler, voll schwermütiger und leider auch -fälliger Handschrift.

Im oberen Rundgang wirken die Werke top-modern: “SWISS MADE, Präzision und Wahnsinn”: diese Ausstellung ist eine qualitätvolle künstlerisch-ästhetische Schau. Eben eröffnet! Selbst ein Hodler aus dem 19. Jh. wirkt mit seiner blaustählernen Farbe modern/er. Die Gegenüberstellung aktueller CH-Positionen mit CH -Klassikern ist exzellente bildnerische Aufklärung, wo die Differenzen und nicht banale Übereinstimmungen gesucht werden.

Im phaeno führt Dr. Guthardt durch das Haus von Zaha Hadid, diesem Ufo mit irdischen Saugnäpfen nächst dem Bahnhof. Wissens-Expeimente werden handfest erfahrbar. Ein Paradies für die mitgereisten Kinder und … Der Zaha-Hadid-Bau besticht, man wünschte ihm in diesen regnerischen Tagen etwas Glamour und Licht, weniger Grau im Grau.

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TIBET - KlösterSchätze in Berlin-Dahlem

26.02.2007

Das schöne Museum der 60er Jahre der Staatlichen Museen kennt wieder viel Publikum, magnetisch attrahieren die Gold-Kammern der Buddhas viele Neugierige, ein gemischtes interessiertes Publikum.

Kunst und Kult, KultKunst, fremde Religionen, polytheistische Vielfalt – eine pure ästhetische, schöne Fremdheit aus entferntesten Ländereinen. Man atmet die schwindelnde Höhe jener Götter und Lehrer aus dem Himalja-Gebirge.

Sinnesfreudige Götter, in akrobatisch-erotischen Vereinigungen als Klöster-Devotionalien? – Warum erscheinen uns viele Buddha-Figuren geradezu hermaphroditisch ?

Für ClubMitglieder ist eine Führung geplant mit der Kuratorin der Ausstellung (voraussichtlich Sonntag, 25. März).

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Prof. Klaus HEINRICH - bei Brendel-Konzert

19.02.2007

Ein Mann, ein Flügel, 10 Finger: ALFRED BRENDEL billiert bravourös mit Sonaten von Hayden, Beethoven, Mozart und Schubert – volles Haus (Grosse Philharmonie, Berlin) mit 76 Jahren.

An der Garderobe meinen früheren FU-Lehrer, den verehrten Prof. HEINRICH getroffen. Nicht mehr der jüngste, aber klar mit Blick, Stimme und festem Händedruck.
Was habe ich seine Vorlesungen zur Französischen Malerei, Italienischen Oper, Deutschen Poesie … seine rhetorische Brillanz zu den Aufklärern Freud, Darwin, Marx … bewundert. In gemessenen Schritten, clare et distincte gute zwei Stunden die Vorlesungen – stets interessant und hochverdichtet, keine Dampfplauderei. Und: alles ohne Notizen, bewunderte Memotechnik. Gesprochen druckreif immer über alle Gebiete der Humanwissenschaften.
Da promoviert und habilitiert, selbstredend war er der Erste Leser, der verstand, der adäquat diskutierte, lohnenswert waren die intellektuellen Parforceritte durch Hegels Ästhetik, durch Vertigo als Kultur-Theorie //siehe: http://www.club-bel-etage.de/kategorie/buecher/?pg=2

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Berlin Wow! Die KunstMetropole

15.02.2007

Man höre und staune: Das Centre Pompidou, die grosse Kunstschau-Maschine aus Paris (www.centrepompidou.fr) kündet in Berlin ihre neue Ausstellung an. 30 Jahre Centre Pompidou wird in der Ausstellung mit dem betulichen Titel “Airs de Paris” (25.4-15.8.07) gefeiert, Etwa 40 Künstler, Architekten, Designer, mit Werken aus den drei letzten Jahrzehnten werden im documenta Jahr ausgestellt. Die Themen sind nicht gerade revolutionär: City, Urban Life, Paris als Schnittstelle – na ja!

Präsentiert wurden der Presse vorab unscharfe und durch die Helligkeit im Café der Kunstwerke Berlin beinah unsichtbar projizierte Künstlerwerke. Technisch miserabel, verkünden Vertreter der früher stolzen “L’Etat c’est moi”-Nation in Berlin ihre Pläne. Vor Jahren unmöglich, damals fühlte man sich auserwählt, wenn gnädig eine Einladung von Paris in die Schmuddel-Frontstadt Berlin verschickt wurde.

So interessant wurde Berlin durch Kunst und Künstler in den letzten 3 Jahren, dass die Verantwortlichen aus Paris mit der charmanten Press Officer Christine Macel und dem eloquenten Kurator Daniel Birnbaum aufwarten.

Ausgestellt wird ein buntes Bouquet von jüngeren und älteren Künstlern – viele mit einem Paris-Bonus, denn im internationalen Rennen muss Paris stark Gas geben, liegt aktuell einige Runden im Rückstand.

Vielleicht eine kritische Bilanz: 30 Jahre Pompidou. 1977 wurde von Pontus Hulten die Demokratisierung der Kunst als kritische Attacke verkündet, in einem Kunsttempel, der als metallener Fremdkörper inmitten vom historistisch-steinernen Paris landete und Modernität pur verkündete.

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LeseFrüchtchen

13.02.2007

Koinzidenzen sind beim Lesen verschrobene Unfall-Situationen zwischen Texten – nur ein Beispiel:

Dagmar von Taube (in einem Berlin Magazin):
Seit einiger Zeit erobert eine neue Spezies die früher eher unlustigen Messen des Kunstmarkts: die Arties. Diese reichen, reisefreudigen Hedonisten … jetten heute um den halben Globus, hauptsächlich, um bunte Bilder anzuschauen – sagen sie zumindest. Die Wahrheit ist: Die Arties trinken viel Champagner, essen Häppchen, sie tragen Pucci und Gucci. Und gucken wollen sie eigentlich nur, wer da sonst noch so guckt.

Palinurus (siehe unten), Das unruhige Grab (S. 141):
Das Geld spricht aus den Reichen wie der Alkohol aus den Betrunkenen, leise ruft es seinesgleichen zu, sich zum Lavastrom zu vereinen, der alles versteinert, was er berührt.

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Leider sind die “Arties”, heute global und mobil, von virtuell- alldimensionaler Präsenz; leider wirkt der verehrte Palinurus nur moralisch verschroben, allein alttestamentarisch.

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